Das Fernsehen zu Besuch am Rhiemsweg

Aufregende Aufnahmen und Interviews

"...Also wissen Sie, die Kinder wollen ja heute überhaupt nicht mehr singen, oder haben Sie da andere Erfahrungen?"
Eine gute Frage, gestellt von Frau Dr. Rita Knobl-Ullrich vom NDR Hamburg irgendwann Anfang Februar in mein privates Telefon. Singen Horner Schüler/innen wirklich gern, oder bilde ich mir das nur ein? "Kommen Sie doch zu uns, machen Sie Aufnahmen, fragen Sie meine Schüler/innen, vielleicht haben Sie recht, ich habe allerdings andere Erfahrungen..."
Ein Film übers Singen sollte gedreht werden, übers Singen in der Badewanne, in der Oper, in der U-Bahn, in der Schule. Chöre, Solisten, Rapper, Kinder, Erwachsene, Alte, Junge, alle singenden Menschen dieser Welt sollten in dem Film bedacht werden, na ja, zumindest einige von ihnen. Und da fehlten eben noch Schülerinnen und Schüler im Musikunterricht.
Etwas nervös war ich schon morgens um zehn, denn die Sechste war im "Drehbuch" gar nicht vorgesehen, nur kamen die vier Rundfunk-Mitarbeiter mit Kamera, Beleuchtung und Redakteurin so überpünktlich, dass sie die ersten Aufnahmen eben schon in dieser Klasse machten und ich mir blitzschnell einen Song aus den Rippen schneiden musste. Und dann das Interview. "Singst du auch zu Hause?" "Nö." "Findest du das Lied denn gut?" "Nö." "Magst du gerne allein singen?" "Nö." "Was gefällt dir denn am Singen?" "Nix."

'Ja, wir singen wirklich live und kein Playback'

Danke schön, erste Schweißausbrüche des Lehrers, das ist nun also eine Schülergruppe, die nicht so gerne singt. Meine Güte, hoffentlich schneiden sie das raus im NDR. So ist Horn nicht, so ist nur diese eine Sechste.
Nächste Stunde, die 5b. Pünktlich, witzig, etwas zu laut, aber hochmotiviert. Und rein in den Musikraum, zuhören, was die Redakteurin sagt, Mappen unter die Stühle, aufstehen, singen. Und wie sie singen! Leider konnte ich nur Fotos während der Interviews machen, da ich beim Singen ja Klavier spielte, aber hell schlug mein Herz, so war die Klasse dabei. "Fair ist stark, fair ist gut..." aus voller Kehle, Texte auswendig, Stimmen geölt. Frau Knobl-Ullrich staunte.
Drei Kinder trauten sich sogar solistisch ans Mikrofon, trafen prima die Töne und verhaspelten sich beim Text nur ein ganz kleines bisschen. Mein absolutes Kompliment!
Und das Interview? Die Finger oben, deutliche Stimmen, ganze Sätze, Lächeln, Aufmerksamkeit und Mitarbeit. Jedenfalls bei fast allen, denn auch in der 5b gibt es Kinder, die schon nach 2 Minuten Stehen ins Krankenhaus müssen vor Anstrengung und jede ruhige Sekunde mit Getöse zu füllen trachten. Aber nur ganz wenige, und die hielten sich 45 Minuten lang denn doch recht wacker.

Das ist alles sehr aufregend

Ende, nun wollten sie gehen, die Gesangs-Forscher vom NDR, aber mein Wahlpflichtkurs Klasse 8 wollte extra vom ITG-Unterricht zu Musik kommen, weil das so vereinbart worden war - die sechste Klasse gehörte doch eigentlich nicht dazu! O.k., man blieb, also die Achte an die Instrumente, Pata Pata auf Kongas, Gitarren und Keyboards, damit auch mal etwas Anderes gezeigt werden konnte als nur singende Kinder. An den Instrumenten sahen sie prächtig aus, die Jungen und Mädchen, und sogar schon recht sicher konnten sie auf heikle Interview-Fragen antworten, ohne spürbar nervös zu wirken.
Und dann, was macht Frau Knobl-Ullrich, nachdem die Jugend vehement ihre Vorliebe für Hip-Hop und Soul bekundet und ohne Scheu das deutsche Volkslied als "altmodisches, langweiliges Zeug" verdammt hat? Sie fragt: "Könnt ihr denn überhaupt noch einen Shanty singen?" Diese Sekunde werde ich nicht vergessen, das prägt. Davon lebt ein armer, alter Musiklehrer, besonders sein Therapeut.
Also wieder ans Klavier, so tun, als ob ein Shanty die leichteste Übung ist für verhinderte Rapper im Stimmbruch, schnelles Üben, Text hin und her, der Kurs reagiert sofort, freut sich mit, singt laut und vernehmlich - eine prächtige Gruppe! Schön, wir haben nur einen Bruchteil des "Hamburger Veermaster" auf See geschickt, aber den überzeugend.
Abbau, Dank und "toll gelaufen, wir melden uns". Ab. Der Lehrer trinkt einen Pott Kaffee im Unterricht, der Kurs Acht versteht das sehr gut. Der Lehrer lässt auch seine Schüler essen und trinken, immerhin, so was erlebt man nicht ständig, da muss man sich stärken - und ein bisschen lästern, aber das schreibe ich hier nicht auf. Kann man den "Veermaster" rappen? Wir sind gespannt. Am 23. Mai wird die Sendung gesendet, um 16 Uhr auf N3. Titel: "Aus voller Kehle".
Schneiden Sie mit! Horn wieder einmal im NDR, immerhin, das letzte Mal war die Sonntakte-Sendung im Sommer 2003 mit dem Gospel-Chor. Hoffentlich wird ein gutes Haar an uns gelassen, denn ich weiß, dass unsere Kinder gerne singen. Wenn auch nicht immer...