“Hidden Shakespeare” – November 2008 im Horner Nachtcafé

So etwas haben Sie noch nicht erlebt.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Theater, setzen sich in die erste Reihe und rufen dem Ensemble zu, was es für Sie zu spielen hat. Oder zu singen. Oder zu dichten – aus dem Stand, ohne Proben, ohne Absprache.

Sie wünschen sich eine chinesische Oper, deren Hauptdarstellerin, eine aus Rumänien eingewanderte Intellektuelle namens Chantal, den nahen Tod erwartet durch einen lese-rechtschreibschwachen Drachen, der, eigentlich ein verwunschener Innensenator, nur durch den ritterlichen Einsatz eines Horner Frisörlehrlings verhindert wird – und das alles, sagen wir mal, heute mal auf albanisch? Inklusive Monolog, Arie, Chor und Liebes-Ballade? Wird gespielt, bitte sehr.

Hidden Shakespeare

Und wie es gespielt wird – als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt als diese nicht gerade alltägliche Kombination. 
Mitten im Stück, falls Ihnen der aus dem Moment heraus improvisierte Ablauf zu entgleiten droht, entscheiden Sie sich doch lieber für die Fortführung als Hip-Hop-Musical mit Horror-Ambiente oder als mittelalterliches Ritterepos.
Sie entscheiden sogar, welches Werk aus dem laufenden Programm verschwinden soll, und welches einer ins immer Absurdere improvisierten Fortführung bis zum 4. Akt würdig ist.
Sie sind ein Teil der Aufführung, Sie erleben hautnah, was aus Ihren Einfällen entsteht. Und dennoch müssen Sie keine Angst haben, mitspielen zu müssen.

Das Spielen, Erfinden, Dichten, Singen, Gestikulieren und Tanzen – all das übernehmen für Sie die Schauspieler, das kongeniale Ensemble, das spontane Kreativteam, die Künstler der freien Improvisation, dieses unglaubliche, fesselnde, auf Spitzen und Höhenflüge treibende, zu tosenden Lachsalven und offenmündiger Stecknadelruhe ansteckende, niemals ermüdende HIDDEN SHAKESPEARE. 

So etwas haben Sie noch nicht erlebt.

Hidden Shakespeare

In den Saal hinein rufende, wild gestikulierende Zuschauer. Hunderte, im ausverkauften Konzertsaal sogar auf dem Boden hockende Gäste, die sich innerhalb eines Sekundenbruchteils aus verhaltenem Kichern in entzückte Sprachlosigkeit, aus donnerndem Applaus in grenzenloses Staunen entführen lassen, die nach lauten Zurufen verschrobenster  Stichworte gebannt der szenischen Realisierung ihrer Vorschläge folgen ohne auch nur im mindesten zu ahnen, wo das alles hinführen mag.

Ins Horner Nachtcafé natürlich.
Ins Kulturleben des Hamburger Ostens, dem die GS Horn durch seine eigene Konzertreihe um einen unverzichtbaren Schritt nach vorne verholfen hat. Wo Profis aller Genres einem stets begeisterten Publikum ihr Können zeigen.
So auch HIDDEN SHAKESPEARE. Statt im Schmidt-Theater oder im Tivoli jetzt an der GS Horn. Na klar, dort waren ja auch schon Christian v. Richthofen, Stefan Gwildis und und und.

In eine Konzertreihe? Warum nicht – oder kennen Sie sonst noch eine Theatergruppe, deren Tastenprofi den Solisten genau jene Sounds, Rhythmen und Harmonien bietet, die sie für ihre ad hoc erfundenen Songs, Lieder, Raps und Arien just in dem Moment benötigen? Ohne je einen Song geprobt zu haben?
Das ist Musik, die vor den Ohren der Gäste entsteht – stilsicher, technisch brillant, immer unsicheren Ausgangs und dennoch mit stets perfekter Schlusswendung.

Hidden Shakespeare

Das Publikum ahnt nicht nur, welche Schwerstarbeit auf der Bühne geschieht. Es fühlt, leidet, liebt und freut sich mit, applaudiert begeistert nach jeder fast körperlich empfundenen Hürde, jedem gelungenen Detail, jeder Pointe, jedem Querverweis, jeder Persiflage und Überspitzung.
Die Texte sind voller Anspielungen, das Ensemble übertrifft sich sogar selbst, indem es Passagen aus vorab improvisierten Szenen zitiert oder gar Stadtteiltypisches verarbeitet. Es fügt vom Publikum in der Pause notierte Begriffe ins Spiel ein, die als Papierschnipsel die Bühne zieren. Es „übersetzt“ Verse eines „ausländischen“ Live-Poeten simultan ins Deutsche, kreiert alphabetisch geordnete Hymnen, verausgabt sich in sportiver Gebärdensprachengymnastik, gönnt sich selbst nicht die kleinste Pause, lässt sich von Gästen als sprechende Marionetten führen, lacht immer wieder selbst über die eigenen, stets frischen Ideen, weil sie aber auch zu verdreht sind, greift ein, fällt sich ins Wort, klatscht ab und schwitzt sich zu verbalen, schauspielerischen und musikalischen Höchstleistungen hinan, die selbst dann noch übertroffen werden, wenn es scheinbar nicht mehr geht. 

Und das alles, man staune, ist kein Klamauk, kein Haschen um Effekte, kein billiges Comedy-Einerlei aus vorgefertigter Gag-Küche, sondern hohe Kunst, basierend auf Kenntnis, Können, Training, Begabung, Wissen, Stilsicherheit und einem echten, tief sitzenden Humor. Das ist unbändigen Lust, die sich überträgt, der sich niemand entziehen kann, die viel mehr ist als nur ansteckend. Das ist HIDDEN SHAKESPEARE.

Hidden Shakespeare

Wir danken dem Ensemble, auch wenn so ein kleiner Homepage-Artikel nicht annähernd auszudrücken vermag, wie sehr es Horn verzaubert hat.
Wir danken Uschi Roth vom Horner Stadtteilverein, die sie sich für die Realisierung dieses Abends unermüdlich einsetzte.
Wir danken unserem Horner Publikum, das wie immer unvergleichlich war – direkt, fröhlich, staunend und ganz bei der Sache.
Wir danken Peter Fischer, der die Scheinwerfer spielen ließ, als wäre er schon jahrelang Mitglied der Gruppe; Nis Nöhring, dessen Toneffekte die schauspielerischen Glanzleistungen um jene Nuance bereicherte, die alles noch lebendiger werden lässt; und natürlich Manni Sievers für die typische Horner Nachtcafé-Bar.

So etwas haben Sie noch nicht erlebt.