...gehn wir Knaben vernaschen im Dom!

Eine bissig-brillante HERKULESKEULE zu Gast in der STS Horn

Der Abend hatte es in sich. Die ca. 300 Menschen, die am 20.4.13 in das aus der Renovierung fantastisch auferstandene Kulturzentrum der STS Horn in der Snitgerreihe 2 geströmt waren, sahen einen Auftritt des legendären Kabaretts, wie er wohl auch in deren Heimatstadt Dresden nicht immer zu erleben ist.

Opa Neugebauer (Rainer Bursche) liebt das Radioballett, während die Welt der Volks-, Staubsauger- oder Beerdigungsvertreter (Brigitte Heinrich und Michael Rümmler) offensichtlich einen heißen Draht zur Wortakrobatik haben, so das Performance-Konstrukt.
In einem scharfen Husarenritt fegen dann allerdings alle drei durch die unterschiedlichsten Felder der Republik und hinterlassen hohnlachend oder hintersinnig versponnen verbal verbrannte Erde.

Angela Merkel findet sich in der brillant parodierenden Brigitte Heinrich auf der Horner Bühne wieder, ständig augenrollend und ostlispelnd mit Mundwinkeln, professionell bis zu den Kniekehlen herabgezogen. Mit den Oberarmen taktet sie den schweren Busen immer wieder auf und ab wie zur Unterstreichung nicht zu widerlegender Tatsachen. Das Publikum rast. Diese Merkel ist grandios.

Die Welt der Katastrophenkonsumenten im friedlichen Deutschland nimmt der Opa Neugebauer genüsslich zwischen die noch intakten Zähne, philosophiert im Duktus des eher naiven Alten über die Neigungen der Deutschen, Katastrophen wie Tsunamis, atomare SuperGAUs oder Schwarze aus Afrika auf sich zukommen zu lassen, sie zu filmen – wenn möglich, etwaigen Opfern zu spenden, wenn notwendig, und sich dann wieder dem gefahrlosen Alltag zu überlassen, da das Gewissen ja beruhigt ist.

Und dann und wann sehnt er sich dorthin, wo noch was los ist, wo man noch richtig den Hauch von Mord und Totschlag spüren kann, er möchte wieder auf den „ Tapezierplatz“ nach Kairo.

Brillant und außerordentlich fetzig auf den Punkt gebracht sind die zahlreichen Songs (die meisten von Peter Ensikat – kürzlich verstorben – getextet), ausgezeichnet einfühlsam und prononciert musikalisch begleitet von Thomas Wand an Klavier und Synthesizer.
Die Adaption des Kreissler-Songs „Geh’n wir Tauben vergiften im Park“ parodiert zu „Geh’n wir Knaben vernaschen im Dom“ ist sowohl von der Art des Vortrags als auch von seiner inhaltlich salpetersäurescharfen Bissigkeit kaum zu überbieten. Nicht nur, dass darin die katholischen Geistlichen ihrem permanent pädophilen Handwerk nachgehen, nein, auch Fachtermini aus der katholischen Kirche wie „Sack ist Ei“ als Tatort und der Beruf des „Vickars“ erhalten fiese neue Umdeutungen. In den Beifall des Publikums zu diesem Song mischt sich selbstverständlich auch eine natürliche Verhaltenheit, wie weit Kabarett gehen darf.

Dieses darf. Und es holt in den zwei Stunden die ganze heftige Keule in einer Weise heraus, dass zum Schluss jedem der begeisterten Gäste anzusehen ist, dass er sein Päckchen mit nach Hause nimmt.

Die vom Team an das Publikum gestellte Frage: Warum sind Sie heute hier? beantwortet auf dem Weg nach Hause jeder für sich und auf seine Weise.

Der Veranstaltungsmanagerin des Stadtteilvereins Horn, Uschi Roth, sowie dem Musikmanagement der STS Horn ist ein weiterer großartiger Beweis gelungen, einem eher bildungsfernen Stadtteil eine Spritze Kultur vom feinsten setzen. Die saß.

Peter Fischer (ehemal. Abteilungsleiter und DSP-Lehrer der STS Horn), Fotos: UR und Aga

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